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Kapitel 1: Stadtentwicklung

Wir verpflichten uns, dass wir in der kommenden Wahlperiode für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung eintreten. Wir möchten dazu beitragen, für die Tübinger*innen eine Stadt mit hoher Lebensqualität zu erhalten und weiterzuentwickeln. Die Wohnungsnot muss wirksam bekämpft werden. Gleichzeitig tragen wir Verantwortung dafür, dass auch die nachkommenden Generationen und zuziehenden Tübinger*innen hier gut leben können. Wir müssen in längeren Zeiträumen denken und nachhaltig die Weichen stellen für eine Stadt mit einem hohen Maß an sozialer Gerechtigkeit und intakter Umwelt.
Die Stadt gehört allen. Wir wollen nicht, dass sich nur Gutverdienende Tübingen leisten können. Oberstes Ziel kommunaler Wohnungspolitik ist deshalb das Bereitstellen bezahlbaren Wohnraums. Bei allen Bemühungen wird das mit den finanziellen Mitteln der Stadt allein nicht umfassend möglich sein. Wir brauchen Unterstützung durch grundlegende Veränderungen, die nur der Bund und das Land einleiten können. Dies wollen wir beständig thematisieren und vehement einfordern. Der flächenfressende Siedlungsbau am Stadtrand auf Kosten von Natur und Landwirtschaft ist für uns keine Option, weil er bestenfalls kurzzeitig Abhilfe verspricht. Die Stadtverwaltung bemüht sich mit unserer Unterstützung erfolgreich, bebaubare Flächen innerorts nachhaltig zu erschließen.

Neubau und Quartiersentwicklung

Angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt erscheint der Neubau von Wohnraum nur vertretbar, wenn dabei nach Grundsätzen ökologischer und sozialer Gerechtigkeit verfahren wird. Das gelingt am ehesten, wenn die Stadt nicht in die Landschaft hinaus wuchert, sondern wenn sie innerörtliche Flächen reaktiviert
Kennzeichen sinnvoller Nachverdichtung ist insbesondere eine vielfältige Mischung der Nutzungen. In zukünftigen Stadtquartieren wird nicht bloß gewohnt, sondern es kommen zum Nutzen aller Bewohner*innen Einrichtungen hinzu. Läden, wohnortnahe Dienstleistungen, Büro-Arbeitsplätze, Kindergärten, Gaststätten und Begegnungsstätten, Wohnanlagen für Ältere oder barrierefreie Wohnungen für Menschen mit Einschränkungen werten die Quartiere zum Nutzen der Bewohner*innen auf. Wo neu geplant wird, können überdimensionierte Straßen zurückgebaut und großzügige, neue Fußwege angelegt werden. Daher befürworten wir den im Herbst 2023 verabschiedeten Rahmenplan für Waldhäuser Ost, der nun sukzessive umgesetzt wird. In diesem Zuge muss endlich auch eine Lösung für das Einkaufszentrum gefunden werden.
Wir setzen uns dafür ein, dass Neubauten, wo immer möglich, in Holzbauweise errichtet werden. Wir begrüßen es ganz allgemein, wenn mit Materialien gebaut wird, die später wiederverwendet werden können - nach dem Prinzip „cradle to cradle".

Bodenpolitik


Flächensparendes Bauen ist auch außerhalb von Brachen geboten und machbar: Etwa durch das Aufstocken vorhandener Gebäude, durch die Überbauung von Parkplätzen und Verkehrsflächen, durch die Urbanisierung lückenhaft gewordener alter Gewerbegebiete. Solange solche Flächen noch zur Verfügung stehen, also vermutlich bis Ende dieses Jahrzehnts, werden wir den Saiben nicht anrühren. Ihn wollen wir unseren Kindern als Reservefläche unbebaut übergeben.
 

Baukosten und Mieten

Leider sind die Baukosten in den letzten Jahren sehr stark gestiegen, Quadratmeterpreise von 8000 Euro und mehr führen zu Mieten von 20 Euro pro Quadratmeter. Das ist für die meisten Menschen nicht erschwinglich. Die Stadt Tübingen versucht, mit verschiedenen Instrumenten wie dem Konzept „Fairer Wohnen“ gegenzusteuern. Eine wesentliche Voraussetzung für den Bau bezahlbarer Wohnungen ist in jedem Fall eine Bodenpolitik, die Baugrund nicht dem privaten Zugewinn überlässt, sondern für gemeinnutz-orientierte Gruppen Verfügungsmodelle bereithält. In diesem Sinne befürworten wir auch das Genossenschaftsprojekt „Neustart: solidarisch leben + wohnen“, das im Tübinger Süden in der Marienburgerstraße geplant wird. Außerdem sehen wir in der städtischen Wohnbaugesellschaft GWG, die mehr als 2000 Wohnungen in Tübingen besitzt und diese teilweise weit unter dem Mietspiegel vermietet, ein zentrales Instrument, um bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und neu zu schaffen.
Wohnraum aktivieren
Derzeit überprüfen wir die Anwendung einer Milieuschutzsatzung für Teile der Südstadt, die einer Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen einen Riegel vorschiebt. Auf unseren Antrag hin hat der Gemeinderat ein Verbot der Zweckentfremdung von Wohnungen, zum Beispiel als Ferienwohnungen, beschlossen. Auf die Verpflichtung zum Bau von Autostellplätzen für neue Wohnungen wollen wir verzichten. Das kann zu einer Reduzierung der Baukosten beitragen. Wir setzen uns für eine weitere Absenkung des Stellplatzschlüssels ein. Nachhaltiges Sanieren statt sinnloses Abreißens ist für uns ein wichtiges Prinzip. Das soll in Zukunft verstärkt berücksichtigt werden. Hoffnung für den eingeschlafenen Wohnheimbau für Studierende gibt es durch die personellen Veränderungen im Studierendenwerk Tübingen-Hohenheim. Die Stadt wird mit der günstigen Bereitstellung von Grundstücken ihren Beitrag dazu leisten. AL/Grüne drängen auf die Sanierung und Reaktivierung bereits existierender Wohnheime wie dem in der Pfrondorfer Straße. Die Idee der „Werkswohnungen“ ist leider aus der Mode gekommen, wird aber von der Stadt Tübingen derzeit wieder belebt: In der Eugenstraße entstehen derzeit 60 Wohnungen in einem Bestandsgebäude für Personen in Mangelberufen, weitere Projekte dieser Art folgen. Auch für Auszubildende muss es mehr bezahlbaren Wohnraum geben. Wir werden uns für ein Wohnheim für Azubis einsetzen.
Vorhandene Gebäude effektiver nutzen
Die hohen Preise bei Neubauten legen die Frage nahe, ob und wie es möglich ist, die höchst ungleiche Verteilung von Wohnraum abzumildern. Zahlreiche Wohnungen sind fehlbelegt: In kleinen Wohnungen drängen sich Großfamilien, einzelne Menschen verlieren sich in Zimmerfluchten. Das wollen wir ändern durch Beratungs- und Unterstützungsangebote für Personen, die in eine kleinere Wohnung umziehen wollen.

 

Barrierefrei wohnen

Trotz angespanntem Wohnungsmarkt steht Tübingen im Bereich barrierefreier und rollstuhlgerechter Mietwohnungen vergleichsweise gut da. Die städtische Fachgruppe Barrierefreies Bauen hat entsprechende Wohnungsgrundrisse entwickelt und gemeinwohlorientierte Baugesellschaften haben sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten umgesetzt. Die Stadt treibt zwar den Bau von barrierearmen Sozialwohnungen voran, sie sind aber immer noch Mangelware. Es braucht Fortschritte dringend auch im nichtgeförderten Wohnungsbau sowie in Bestandsbauten. Im Rahmen des Stadtumbauprozesses auf Waldhäuser Ost testet die Stadt ein Beratungsangebot zu barrierefreiem Umbau für Wohnungseigentümergemeinschaften. Das unterstützen wir nachhaltig.
 

Stadtgrün und Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum

Stadtgrün hat durch die Bereitstellung von zahlreichen Ökosystemleistungen wie etwa Hitzereduktion, Luftfilterung, Wasserrückhalt und Erholungsfunktion einen enormen Wert für das Leben in der Stadt. Wir möchten daher die grüne Infrastruktur deutlich ausbauen und fördern die Errichtung von grünen Fassaden und Dächern sowie das Entsiegeln von Flächen. Nicht nur Parks und große Grünareale, auch Kleingärten, Blüh- und Randstreifen, Friedhöfe und Einzelbäume sind wertvoll. In Anbetracht der sich verschärfenden Klimakrise ist es wichtig, schon jetzt für ein zunehmendes Grünvolumen, beschattete Fußwege sowie Trinkbrunnen zu sorgen. Bäume haben eine besondere Bedeutung für das Stadtklima und den Artenschutz. Wo es möglich ist, wollen wir vorhandene Bäume erhalten und zusätzliche Bäume pflanzen.
Ein intelligentes Wassermanagement soll für genügend Wasser in längeren Trockenperioden sorgen. Zisternensysteme, in denen Regenwasser für die Bewässerung des Stadtgrüns gesammelt wird, begrünte Mulden und Rigolensysteme, die dem derzeitigen Wassermangel der Stadtbäume vorbeugen, sowie Erhalt und Pflege des alten Baumbestands sind zentrale Aspekte einer ökologischen Stadtplanung. Die Idee der Schwammstadt wollen wir in den nächsten Jahren forcieren, um uns auf Extremwetterlagen vorzubereiten. Wenn verdichteter Siedlungsbau die flächenmäßige Ausdehnung des Stadtgrüns begrenzt, muss die gebaute Siedlung selbst möglichst viele seiner Funktionen übernehmen: Das Grau muss ergrünen.
Der Stadtwald leistet einen unverzichtbaren Beitrag zum Tübinger Gemeinwohl. Investitionen in zukunftsfähige, klimastabile und qualitativ hochwertige Waldbestände bleiben für uns selbstverständlich. Bei der Bewirtschaftung des Stadtwaldes haben Aspekte des Naturschutzes (Biodiversität) und der Erholung (Verkehrssicherheit, Freizeiteinrichtungen) weiterhin einen hohen Stellenwert. Wir sehen den Stadtwald auch als hervorragende Basis für Waldpädagogik und Umweltbildung. Ein entsprechend vielfältiges und niederschwelliges Angebot wollen wir fördern.

Biodivesität

Neben der Klimakrise ist der Artenschwund eine der größten Krisen der Menschheit. Die Stadt beherbergt eine Vielfalt an Pflanzen und Tieren, darunter auch einige gefährdete Arten, die es zu schützen gilt. Tübingen hat in den letzten Jahren einiges erreicht. So ist die Renaturierung des Neckars und die Aufwertung mancher Freiflächen positiv zu bewerten. Doch wir können mehr! Die Stadt soll eine Vorreiterrolle auf dem Gebiet des Artenschutzes und der Förderung der Biodiversität einnehmen. Dafür braucht es insbesondere mehr Strukturvielfalt etwa durch Hecken, Totholz und Nistmöglichkeiten, mehr heimische, biodiversitätsfördernde Arten sowie ein biodiversitätsgerechtes Flächenmanagement. Das Mähverhalten der städtischen Betriebe muss sich ändern, damit aus Rasenflächen artenreiche Wiesen entstehen können. Weiter soll die Lichtverschmutzung dort reduziert werden, wo es nicht um die Sicherheit geht, etwa bei der intensiven Beleuchtung von Parkhäusern und Gebäuden.
Auch die Schaffung und der Erhalt von hochwertigen Biotopen und das Zulassen von mehr Wildnis in der Stadt sind von Bedeutung, um dem Verlust an Biodiversität entgegenzuwirken. Bei städtischen Flächen, die landwirtschaftlich genutzt werden, hat die Stadt die Möglichkeit mit Auflagen zu Pestiziden und Mahd- und Schnittverhalten direkt Einfluss auf die Pächter*innen zu nehmen. Auch Wegraine an städtischen Feldwegen sollen naturverträglich gestaltet werden und so die Artenvielfalt fördern. Es gibt in Tübingen zahlreiche Vereine, die mit fundiertem Wissen unterstützen und beraten können. Mithilfe von Informationstafeln und Aufklärung wollen wir dieses Wissen in die Stadtgesellschaft tragen und so eine breite Akzeptanz schaffen.
Daneben setzen wir uns dafür ein, die Aufenthaltsqualität am Neckar im Einklang mit der Natur weiter zu steigern und den Neckar zugänglicher zu machen. Wir möchten ein interkommunales Projekt anstoßen, dessen Ziel es ist, die Wasserqualität des Neckars zu verbessern. Ähnliches wird in großem Stil bereits in Paris umgesetzt, wo Schwimmen in der Seine bis 2025 möglich sein soll.

Stadtgrün an Balkonen und Fassaden

Als AL/GRÜNE setzen wir uns für ein neues städtisches Förderprogramm ein, das Immobilienbesitzer*innen, Hausverwaltungen, Privatinitiativen dazu motivieren soll, ihre Balkone und Fassaden zu begrünen. Das wäre eine gemeinsame soziale und ökologische Initiative und Investition in die Klima-Resilienz unserer Stadt. Denn dem Klimawandel müssen wir uns mit aller Entschiedenheit gemeinsam entgegenstellen – damit unsere Stadtquartiere auch in Zukunft lebenswert bleiben – für Jung und Alt!

Wasserkonzept gegen Hitzesommer

Um das Grün in der Stadt auf öffentlichen und privaten Flächen auch in Zukunft - angesichts zunehmender Hitzesommer - optimal mit Wasser versorgen zu können, setzen sich AL/Grüne für die Förderung von Grau- und Regenwassernutzung ein. Regen- und Grauwasser-Bewirtschaftung auf privatem Grund soll daher ebenfalls gefördert werden. So lange Menschen siedeln, fällt Grauwasser an und ist somit eine verlässliche Wassermenge, die es in Zukunft bewusst zu nutzen gilt. Dafür setzen wir uns ein. Tübingen verfügt im Bereich der Sarchhalde und des Schnarrenbergs über ein reichhaltiges Reservoir an Quellen, deren Schutz, Erfassung und Erschließung in die zukünftige Wasserkonzeption einbezogen werden soll.

Altstadt

Auch an die Tübinger Altstadt werden viele und sehr verschiedene Anforderungen gestellt, denn sie ist Wohnort, Einkaufsort, Ort für Feste und Märkte, Erholungsgebiet, Spielort für Kinder, sie bietet Arbeitsplätze und Stellplätze. Restaurants, Kneipen und Clubs erhöhen ihre Attraktivität. Das alles konfliktfrei unter einen Hut zu bringen ist eine fortwährende Herausforderung. Im Beteiligungsprozess „Altstadt Rahmenplan“ werden alle Chancen und Konflikte in diesem Bereich aktuell besprochen. Neben vielen anderen Akteur*innen sind wir an diesem Prozess aktiv und engagiert beteiligt.
Zur Aufwertung des öffentlichen Raumes sollen beispielhaft drei Plätze (um)gestaltet werden: Das Universitätsviertel Wilhelmstraße ist in einigen Bereichen ein vernachlässigter Fleck auf der Stadtkarte. Das soll sich ändern! Im Bereich zwischen Gmelin-, Naukler-, Sigwart- und Hölderlinstaße soll ein zentraler Universitätsplatz entstehen. Wir unterstützen den Vorschlag der BI Wilhelmsvorstadt Universitätsviertel, im Untergeschoss des Hörsaalanbaus der Alten Physik einen Bierkeller mit angeschlossenem Biergarten einzurichten.
Die Aufenthaltsqualität des Haagtorplatzes wollen wir erhöhen, indem wir die Zahl der Autostellplätze verringern und damit mehr Platz für Grün und Sitzgelegenheiten gewinnen. Die erfolgreiche Probephase im Sommer 2023 soll sich zur dauerhaften Regelung verfestigen. Die gesamte Altstadt soll autofrei werden. Für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, den Lieferverkehr und andere systemrelevante Nutzungen werden Ausnahmen geschaffen und passende Lösungen entwickelt.
Der bisher als „Baufläche“ zum Verkauf an Investoren vorgesehene nordöstliche Teil des Europaplatzes wird als Ort mit vorwiegend öffentlicher Nutzung geplant. In diese Planung werden interessierte Bürger*innen einbezogen. Die zu errichtenden Gebäude sollen zeitgemäßen stadtökologischen Ansprüchen genügen. Für eine Übergangszeit steht der Platz als Ort der Begegnung zur Verfügung, den die Stadtgesellschaft mit Leben füllen wird.
Barrierefreie öffentliche Gebäude
Bei der Barrierefreiheit hat die Stadt in den zurückliegenden Jahren viel bewegt, begrenzt nur von historischen Gebäuden, deren Umbau oft nicht möglich ist. Positive Ausnahmen hiervon sind das Kepler- und das Uhlandgymnasium sowie das ganze Technische Rathaus. Bei der Planung aller größeren Projekten wird die Vertretung der Menschen mit Behinderung im Forum Inklusion beteiligt. Sie werden mit dem Beauftragten für Inklusion auch einen Dringlichkeitsplan aufstellen nach der Priorisierung konkreter Bedarfe, Kosten, Umsetzungszeit. Das unterstützen wir.
Weder der Mangel an Geld noch andere ungünstige Voraussetzungen dürfen ein Hindernis sein, sich erfolgreich um die Lösung der Probleme der Wohnungsnot und der Klima-Resilienz zu kümmern. Gleichzeitig ist es unumgänglich, der Klimaveränderung intelligente Lösungen entgegenzusetzen und in den Stadtquartieren auch durch Grünflächen eine gute Aufenthaltsqualität für alle Bewohner*innen zu bieten.

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