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Grünes Sofa "Schöner Wohnen in Tübingen?"

Auf dem Grünen Sofa zum Thema "Schöner Wohnen in Tübingen?" nahmen am Samstag, 17. September 2016, der Tübinger Baubürgermeister Cord Soehlke und unser Bundestagsabgeordneter Chris Kühn am neu gestaltetet Zinserdreieck Platz. Die Sonne lachte, so gab es viele Zuhörer*innen und Vorbeilaufende blieben interessiert stehen.
Moderator Christian Selent vom Kreisvorstand stellte einige Fragen rund um das Thema Wohnen – nach den Leitlinien bei der Errichtung neuer Quartiere, nach Baugruppen, Flüchtlingsunterbringung und dem Mietspiegel. Das grüne Sofa als interaktives Format bot auch dem Publikum die Möglichkeit, auf dem Sofa zwischen den Gästen Platz zu nehmen und Fragen zu stellen. Dies traute sich nur einer, andere stellten ihre Frage lieber schriftlich.

So erfuhr man, dass es Gewerbe in den neuen Quartieren vor allem bei den Vierteln mit großen Geschosshöhen gibt, dass der Mietspiegel als deskriptives Element viel Transparenz geschafften hat und dass Studierende auch zur Gentrifizierung beitragen, da Wohngemeinschaften mehr für eine Wohnung bezahlen können als eine Familie mit 1½ Einkommen. Baubürgermeister Soehlke sieht darum in den Studierenden nicht die schützenswerteste Gruppe. Chris Kühn zeigte auf, dass bei der Einführung von Eliteuniversitäten die soziale Infrastruktur nicht mitberücksichtigt wird. Die Studierendenzahlen schnellen an den entsprechenden Standorten in die Höhe (in Tübingen 8000 Studierende mehr in 15 Jahren). Die Fragen sind: Wie groß kann Tübingen wachsen? Wie groß kann die Uni wachsen?

Es werden neue Mobilitätskonzepte entwickelt, bei denen nicht teure Stellplätze, sondern beispielsweise der TüBus oder Car-Sharing in der Miete enthalten sind. Die Gleichung eine Wohnung – ein Stellplatz sei veraltet. Auch Wohnungen sollten anders gebaut werden, Umnutzbarkeit, Verkleinerungen sollten je nach Lebenssituation möglich sein.

Viele Menschen bewegt die Frage, ob dem Baupreis die Nachhaltigkeit geopfert wird und ebenso, wie verhindert werden kann, dass energieeffiziente Sanierungen die Preise in die Höhe treiben und gewachsene Strukturen zerschlagen, wie im Beispiel berichtet wurde. Soehlke sieht eine Lösung in einem Mehr an Ausnutzung, durch das die Sanierung mitfinanziert wird. Er meint weiterhin, dass bei einer Sanierung nicht alles gemacht werden muss, was machbar ist, nur um noch die letzten 2% mehr Energieeffizienz zu erreichen. Chris Kühn sieht Fehler im Mietrecht, zu oft würde Sanierung zu Umwandlung z.B. in Eigentumswohnungen führen. Er berichtete, dass 90% der neugebauten Wohnungen höherpreisig sind, meist im Eigentumssegment. Er setzt sich mit den Grünen im Bund für eine neue Wohnungsgemeinnützigkeit ein und sieht Möglichkeiten für politische Rahmenbedingungen im Steuerrecht. Problematisch sei, dass sich der Druck auf dem Finanzmarkt massiv auf dem Immobilienmarkt auswirkt. Oft werden Share Deals verhindert, von ausländischen Investoren wird beispielsweise die Grundsteuer umgangen.

Was können Stadt, Land und Bund für günstiges Wohnen tun? Chris Kühn meint, es könne nicht alles dem Markt überlassen werden, sondern braucht eine aktive Bundespolitik. Soehlke hält es für wichtig, dass die Stadt wie bisher schon Grundstücke aufkauft und selber entwickelt, dabei kompakt und dicht baut. (Im Gegensatz dazu werden die Bundesliegenschaften ohne Berücksichtigung sozialer Kriterien höchstpreisig verkauft.) Auf diesem Weg kommen als Akteure nicht nur die mit dem meisten Geld zum Zug, sondern auch Genossenschaften, das Mietshäusersyndikat und Baugemeinschaften. Ein großes Problem in Tübingen ist der Mangel an freien Flächen. Die Innenentwicklung kommt vor der Nutzung der Außenflächen, das Ende ist allerdings in Sicht: 2025/30 sei Tübingen zu Ende entwickelt. „Um neue Brachen zu kriegen, müsste dann erst die Uni pleite gehen und das will ja keiner“, scherzte Soehlke.

Kann sozialer Wohnungsbau dauerhaft verankert werden? Wie kann Wohnen sozial gerechter werden? Da laut Chris Kühn Interesse an sozial gemischten Städten und Quartieren besteht, sieht er als Instrumente die Wiedereinführung der Wohnungsgemeinnützigkeit und die Vermögenssteuer. Die Chance sei da, auch durch über 200 000 angekommene Flüchtlinge. Allerdings kann nicht Wien mit 100 Jahren sozialer Wohnungsbautradition kopiert werden und das Eigentum sei zu Recht in Deutschland geschützt.

Chris Kühn berichtet, dass Tübingen im Hinblick auf die Willkommensarchitektur für Flüchtlinge bundesweit ebenso modellhaft sei wie bei der Quartiersentwicklung.

Cord Soehlke berichtet vom Rahmenprozess in der Weststadt, an dem sich die Bürger*innen rege beteiligen. Sie hätten Stadtentwicklung bisher nur als Bauträgerbauen erlebt, jetzt werden dort neue Quartiere und zentrale Orte, die auch der Begegnung dienen, entwickelt. Er nennt die kleine Molkerei und das Zentrum Zoo als Beispiele und spricht von einem „tollen Beteiligungsprozess“. Außerdem wirbt er für das Hechinger Eck, bei dessen Entwicklung bezahlbares Wohnen im Vordergrund steht. Er meint: „Qualitätvolles Bauen darf auch bezahlbar sein.“

Zum Ende sagt Soelke auf die Frage des Moderators Christian Selent, was er sich vom Bund wünsche: Baugesetzbuchänderung, Flächenmobilisierung/ Grundsteuerreform und Förderung des Wohnungsbaus, z.B. langfristiger Projekte aus der Bürgergesellschaft. Andersherum wünscht sich Chris Kühn vom Baubürgermeister, dass der Austausch weiter gepflegt wird und dass die Stadt weiter mutig im Bauen ist um damit auch Beispiel für andere zu sein.

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